Francesca Sanna erzählt mit ihrem Bilderbuch „Ich und meine Angst“ eine sehr einfühlsame Geschichte von einem kleinen Mädchen, das in ein anderes Land kommt, in dem ihm alles unbekannt und fremd ist. Zuvor war die Angst des Mädchens wie eine Freundin, die sie beschützt: ein niedliches, kugeliges Gespenst – freundlich und hell. Die Angst warnt sie vor Gefahren und beschützt davor, in der Nähe von bösen Hunden oder in großer Höhe leichtfertig zu handeln. Diese Angst ist gut, das kleine Mädchen aber erzählt: „Seit wir in dieses neue Land gekommen sind, ist die Angst nicht mehr so klein.“ Jetzt wird ihre Angst immer größer, wächst ständig – vom kleinen Wesen über das großes Kissenwesen bis zum wolkenartigen Koloss. Die Angst bestimmt jetzt über ihr ganzes Leben. Sie möchte das Mädchen daran hindern hinauszugehen. Sie sagt ihr, dass die Schule furchtbar ist und keine:r sie mag. Die Angst lässt niemanden an sie heran und träumt nachts so laut, dass das Mädchen nicht schlafen kann. Einsam wird das Kind, unglücklich und wütend. Als eines Tages ein Junge auf sie zugeht und mit ihr spielt, beginnt die Angst zu schrumpfen. Da entdeckt sie, dass auch dieser Junge Angst hat und nicht nur er, sondern jedes Kind um sie herum. Sie ist nicht allein mit ihrem Geheimnis, ihrer kleinen Freundin Angst.
Es ist das Mädchen selbst, das uns die Geschichte erzählt und uns so direkt an ihrem Gefühlsleben teilhaben lässt. Sofort baut sich eine enge Verbindung zu ihr auf. Auch die Illustrationen sind überzeugend. Die Angst ist als weißes Wesen anschaulich dargestellt, das erst ganz klein ist, aber im Verlauf der Geschichte immer größer wird und immer mehr Raum einnimmt. Irgendwann ist sie so riesig, dass kaum noch jemand die Chance hat, dem Mädchen näherzukommen.
Ist Angst nicht etwas für Feiglinge? Das Bilderbuch greift ein sehr wichtiges Thema auf, denn von Ängsten zu erzählen, ist nicht einfach. Doch dieses niedliche, kleine Wesen ermutigt Kinder, darüber zu sprechen. Sie entdecken, dass jeder/jedem von uns eine Angst innewohnt und dass diese Angst manchmal sehr übergroß und erdrückend werden kann. Wir selbst werden dabei immer kleiner und können kaum noch agieren. Vielleicht hilft es, in schwierigen Situationen darüber zu sprechen – seine Angst zu packen, sie mitzunehmen und etwas zu wagen. Wunderbar bildlich und verständlich wird dies im Buch dargestellt. Es öffnet aber zusätzlich auch den Blick auf die Kinder, die aus einem fremden Land zu uns kommen. Ihre Situation wird sehr gut nachvollziehbar erzählt.
Buch: Ich und meine Angst
Text und Illustration: Francesca Sanna
Übersetzung: Thomas Bodmer
Verlag: NordSüd Verlag
Umfang: 40 Seiten
Alter: ab 4 Jahren
Preis: € 16,00
Im Unterricht
Meine Freundin, die Angst
Die Figur des Mädchens mit der kleinen Angst steht in der Mitte des Stuhlkreises.
Bodenbild: Figur mit zusammengeknülltem, weißem Tuch
Erste spontane Vermutungen kommen auf: „Das ist ein Kind mit einem kleinen Gespenst.“ „Aber es hat keine Angst.“ „Vielleicht spielen sie zusammen.“ Ich kündige den Kindern an: „Ich erzähle euch eine Geschichte von einem Mädchen, das diese Figur ihre ‚kleine Freundin Angst‘ nennt. Kann denn Angst eine Freundin sein?“…